Prof. Dr. Claus Arnold

Arnold, Prof. Dr. Claus, FB 01, Katholisch-Theologische Fakultät, Abt. Mittlere und Neuere Kirchengeschichte.

Papsttum und Italien-Diskurs im 16. und 17. Jahrhundert

Die leitende Hypothese des Projektes ist, dass der Italiendiskurs des 16. und 17. Jahrhunderts wesentlich kirchlich konstruiert wurde, wobei Papsttum und Kirche sowohl inhaltlicher Bestandteil als auch Agenten dieser Konstruktion waren. Im Hintergrund steht die Konstellation, dass das päpstliche Selbstverständnis nach der Rückkehr aus Avignon sich zwischen drei Polen entfaltete: der universalen Bedeutung als Padre commune und oberster kirchlicher Hirte, der Rolle als souveräner Fürst des Kirchenstaates und schließlich als besonderer Hüter der konfessionellen Einheit Italiens als Primas Italiae. Den zwei Seelen des Papsttums von Prodis Il sovrano pontefice wird hier gewissermaßen eine dritte hinzugefügt. Dabei ist diese Wahrnehmung nicht ganz neu, wurde früher aber vor allem polemisch formuliert: In Anspielung auf die Situation nach dem Frieden von Cateau-Cambrésis (1559) und der folgenden pax hispanica (bis 1713) polemisierte der Literaturhistoriker und italienische Kultusminister Francesco de Sanctis im Jahr 1873 im Geiste des risorgimento: „Man sagte zu den Italienern: Ihr habt die Nationalität und die Unabhängigkeit verloren, ihr seid die Diener Spaniens, Österreichs und Frankreichs geworden, ihr habt nicht mehr die kulturelle Dominanz von früher, ihr seid ein heruntergekommenes Volk. Aber tröstet euch und denkt daran, dass der Papst in Italien ist, dass er mächtig ist und das reflektiert auf das Land in dem er residiert.“ Tatsächlich hat auch die neuere Forschung hervorgehoben, dass ab dem späten 16. Jahrhundert das Papsttum und die konfessionelle Einheit Italiens in dieser Weise literarisch präsentiert wurden: Die Italia travagliata des Inquisitors und Bischofs Umberto Locati OP stellte 1576 die Herstellung und Bewahrung von religiöser Einheit durch die Inquisition und speziell den Dominikaner-Papst Pius V. (den vormaligen Generalinquisitor Michele Ghislieri) als den Zielpunkt einer zweitausendjährigen italienischen Geschichte dar, die zuvor stets durch das Eindringen von barbarischer Gewalt, von Seuchen und Häresie geprägt war (Valeri 2005). Tatsächlich war die römische Inquisition mit ihren vierzig Lokalbüros gewissermaßen die erste nationale Institution Italiens, auch wenn ihr Einfluss im Regno eingeschränkt war. An diese Forschungen möchte das Projekt anknüpfen.
Neben einem vertieften analytischen Blick auf Werke wie die Italia travagliata ist in diesem Kontext auch die „Italia sacra“ des Zisterzienserabtes Ferdinando Ughelli, die von 1644 bis 1662 in neun Bänden mit päpstlichem Privileg erschien und erstmals eine Geschichte der italienischen Bischöfe und Diözesen über die patriotische Einzelgeschichtsschreibung der einzelnen italienischen „nationes“ hinaus bot. Sie stellte auch ein Muster für die spätere Germania Sacra Martin Gerberts dar. Ughelli brachte für dieses Werk ein ganzes italienisches Netzwerk von Gelehrten zusammen, wie Simon Ditchfield betont hat.
Hinzu tritt eine die Rekonstruktion des Italien-Diskurses in der römischen Kurie. Dabei stellt sich z.B: die Frage, inwieweit etwa der anti-germanische humanistische Italiendiskurs in der Kurie auch nach dem Konzil von Trient rezipiert wurde. Hierzu soll u.a. die (gedruckte) Nuntiatur-Überlieferung auszuwerten. Interessant ist dabei auch der Blick auf die „spanische“ Präsenz auf der italienischen Halbinsel (pax hispanica 1559-1713), die gerade in kirchlicher Hinsicht immer wieder zu Streit Anlass gab (etwa zwischen Pius IV. und Philipp II.). Auch hier ist mit einer rhetorischen Beanspruchung der italianità durch Papsttum, Kurie und kirchliche Publizistik zu rechnen.
Ein weiterer Aspekt: In der Kurie erfolgte im 16. Jahrhundert ein teilweiser Wechsel vom Lateinischen hin zum Italienischen als Sprache interner Verständigung. Dem entsprach das hohe Interesse an der Kontrolle der volkssprachlichen Literatur in Italien: Das völlige Verbot italienischer Bibelübersetzungen bereits in den 1570er Jahren (im Gegensatz zum Reich) oder die penible Zensur italienischer Autoren wie Carlo Sigonio sind nicht nur Ausdruck der Repression, sondern auch des besonderen „positiven“ Interesses an der Gestaltung „italienischer“ Kultur, das man anderen Nationen nicht entgegenbrachte

Prof. Dr. Claus Arnold

November 2020

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