Müller-Wood, Prof. Dr. Anja, FB 05, Department of English and Linguistics, Abt. English Literature and Culture.
Nation und Konfession im England der frühen Neuzeit
Obwohl Glaube eine gewichtige Facette nationaler Identität ist, zeigen sich in einer Epoche konfessioneller Verwerfungen wie der Reformationszeit auch die Bruchstellen dieses Verhältnisses. Wie positionieren sich Gläubige gegenüber ihrem Land, wenn der Monarch sich einer anderen Konfession zuwendet? Welche Bedeutung hat die Erfahrung des möglicherweise daraus folgenden Exils? Wie beeinflussen transnationale (um nicht zu sagen kosmopolitische) Verbindungen unter Mitgliedern einer Religionsgemeinschaft das Verständnis von Nationalität? Was prägt das Selbstverständnis stärker: Die Zugehörigkeit zur Konfession oder zur Nation? Das über Jahrzehnte hinweg von extremen konfessionellen Schwankungen geprägte England der frühen Neuzeit bietet ein besonders spannungsreiches Feld für die Untersuchung der im Zentrum dieses Projekts stehenden Frage nach dem Zusammenspiel von religiösem und nationalem Selbstverständnis.
Der Zusammenhang von Nation und Konfession ist in der englischen Literatur- und Kulturwissenschaft in den 1990er Jahren zwar bereits ausgiebig behandelt worden, seit der Jahrtausendwende mehrt sich aber die Kritik an der Einseitigkeit und teleologischen Ausrichtung dieser bisweilen nur den offiziellen protestantischen Nationalismus bestätigenden Forschung. So hat sich in den vergangenen Jahren die Betrachtung der Stimmen konfessioneller Minoritäten – was im post-reformatorischen England der Zeit vor allem die Stimmen von Katholiken bedeutet – als Forschungsdesiderat herauskristallisiert, um u.a. zu einer differenzierteren Einschätzung des frühneuzeitlichen Verständnisses von Nation zu kommen. Englische Katholiken nahmen dabei nicht unweigerlich eine oppositionelle oder sogar subversive Haltung gegenüber der englischen Nation ein, sondern suchten nach Strategien, um ihre konfessionelle Andershaftigkeit mit Loyalität und Patriotismus zu vereinbaren. Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt auf den Spuren dieser Strategien in vornehmlich literarischen Quellen.
Prof. Dr. Anja Müller-Wood
November 2020
Kontakt
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